Neckarwestheim. Der Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim (GKN II) ging heute Nacht (15. April 2023) gegen 23:59 Uhr endgültig vom Netz. Damit setzte die EnBW die Vorgaben des Atomgesetzes fristgerecht um. Der Abschaltvorgang verlief technisch wie geplant und ohne Besonderheiten. In den nächsten Wochen wird die EnBW mit den ersten vorbereitenden Tätigkeiten für den Rückbau der Anlage beginnen – die Genehmigung hierfür liegt vor.
GKN II ist ein Druckwasserreaktor mit einer installierten elektrischen Leistung von 1.400 Megawatt (MW). Am 3. Januar 1989 hat GKN II das erste Mal Strom in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die Anlage hat jährlich rund 11 Milliarden Kilowattstunden und in 34 Jahren insgesamt über 375 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert. In Baden-Württemberg hat GKN II etwa ein Sechstel des gesamten Strombedarfs und etwa zwei Drittel des Strombedarfs der privaten Haushalte gedeckt.
Die Abschaltung von GKN II war ein technischer Standardprozess, der vergleichbar ist mit früheren Abfahrvorgängen vor den jährlichen Revisionen. Beim Abfahren wurde die Reaktorleistung durch das schrittweise Einfahren von sogenannten Steuerstäben in den Reaktorkern kontinuierlich abgesenkt. Nach dem Absenken der Reaktorleistung erfolgte gegen 23:59 Uhr die Trennung des Generators vom öffentlichen Stromnetz.
Beitrag zur Versorgungssicherheit
Ursprünglich war im Atomgesetz vorgesehen, dass GKN II spätestens am 31. Dezember 2022 abgeschaltet wird. Die Bundesregierung hatte dann jedoch Ende 2022 kurzfristig eine Verlängerung der Stromproduktion initiiert, um die Stromversorgung in Deutschland sicherzustellen. Die Gesetzesänderung trat im Dezember in Kraft. Daraufhin hatte die EnBW während eines Kurzstillstands von GKN II dafür gesorgt, dass der restliche Energiegehalt der vorhandenen Brennelemente optimal ausgenutzt werden kann. Auf diese Weise konnte GKN II in 2023 insgesamt über 1,9 Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren.
Auf die sichere Stromproduktion folgt der sichere Rückbau
„Wir bedanken uns bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Standort Neckarwestheim. Sie haben stets mit vollem Engagement zur Sicherheit des Kernkraftwerks beigetragen und damit auch zur sicheren Stromversorgung in Baden-Württemberg. Ihr Know-how und ihr hochprofessionelles Verhalten haben sie in den vergangenen Monaten nochmals unter Beweis gestellt, als es darum ging, der Bitte der Bundesregierung zu folgen und kurzfristig eine längere Stromproduktion zu bewerkstelligen. Für diese Leistung habe ich größten Respekt“, erklärt Jörg Michels, Geschäftsführer der EnBW-Kernkraftsparte. „An unseren drei Kernkraft-Standorten Neckarwestheim, Philippsburg und Obrigheim haben
unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den zurückliegenden insgesamt rund 55 Jahren eine stets sichere Stromproduktion gewährleistet. Mit der Abschaltung von GKN II wird nun auch in der fünften und letzten Anlage der Rückbau im Mittelpunkt stehen. Wir sind froh, diese Aufgabe mit unseren erfahrenen und kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angehen zu können, denen wir damit eine interessante berufliche Perspektive im Anschluss an die Stromproduktion eröffnen können.“
Masterplan für den Rückbau
Die EnBW hatte bereits im Jahr 2012 eine weitreichende und umfassende Strategie für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke entwickelt und einen entsprechenden Masterplan festgelegt. Dieser Plan wird seither konsequent verfolgt. So ist die EnBW der erste Betreiber von Kernkraftwerken in Deutschland, für dessen Anlagen alle Rückbaugenehmigungen vorliegen. Darüber hinaus ist die EnBW der bislang einzige Betreiber in Deutschland, der für zwei seiner Anlagen eine Rückbaugenehmigung erhalten hat, bevor diese endgültig abgeschaltet wurden – darunter GKN II. Auf Basis dieser Genehmigungen konnte die EnBW in den vergangenen Jahren große Fortschritte beim Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO), der beiden Kernkraft-werke in Philippsburg (KKP 1, KKP 2) sowie des Blocks I in Neckarwestheim (GKN I) erzielen.
Die Rückbauplanung für GKN II wurde durch die von der Bundesregierung initiierte Verlängerung der Stromproduktion stark beeinträchtigt und muss überarbeitet werden. Auch wenn Verzögerungen gegenüber der ursprünglichen Planung wahrscheinlich sind, so geht die EnBW in ihrer Abschätzung im Moment trotzdem unverändert davon aus, dass der Rückbau von GKN II im atomrechtlichen Rahmen etwa zehn bis 15 Jahre dauern wird. Weitere Informationen hierzu sind der EnBW-Pressemitteilung vom 5. April 2023 zu entnehmen.
Eckdaten des Standorts Neckarwestheim in Kürze
Auf dem rund 400.000 Quadratmeter großen Gelände, das teils auf Neckarwestheimer und teils auf Gemmrigheimer Gemarkung liegt, befinden sich der Block GKN I (Stromproduktion von 1976 bis 2011) und der Block GKN II (Stromproduktion von 1989 bis 2023). Die gesamte, von beiden Anlagen am Standort Neckarwestheim in 47 Jahren gemeinsam produzierte Bruttostrommenge liegt bei über 576 Milliarden Kilowattstunden. GKN I ist seit 2017 im Rückbau, bei GKN II beginnen die vorbereitenden Tätigkeiten für den Abbau in den kommenden Wochen. Aktuell arbeiten am Standort Neckarwestheim rund 650 EnBW-Mitarbeiter*innen.