Ministerpräsident Dietmar Woidke hat heute die Landrätinnen und Landräte sowie die Oberbürgermeister und die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände direkt über die Ergebnisse der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu notwendigen Konsequenzen aus der anhaltenden Migration informiert. Dabei betonte Woidke in der Potsdamer Staatskanzlei: „Die gestrige MPK war von großer Ernsthaftigkeit getragen.

Länder und Bund ergreifen konkrete Maßnahmen, um die Fluchtmigration nachhaltig zu senken, die illegale Migration deutlich zu beschränken, die Schleuserkriminalität zu bekämpfen, abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben, so genannte Pull-Faktoren zu verringern und zugleich eine schnellere Arbeitsaufnahme von Geflüchteten mit Bleiberecht zu ermöglichen. Bei der finanziellen Beteiligung des Bundes kommen wir zum schon lange geforderten atmenden System. All das ist dringend nötig, um unseren Landkreisen und Kommunen wieder Luft zu verschaffen.“

 

Foto: reportnet24/ Staatskanzlei Brandenburg

Vereinbart wurde, sich auf EU-Ebene für einen konsequenten Schutz der EU-Außengrenzen einzusetzen. Die vorgesehene Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik muss möglichst schnell umgesetzt werden. Die Grenzkontrollen innerhalb der EU wie zwischen Brandenburg und Polen wurden umgesetzt und bleiben notwendig. Sie zeigen Wirkung. Nach Möglichkeit soll bereits im Land mit der EU-Außengrenze in gemeinsamen Polizeieinsätzen kontrolliert werden.

Im MPK-Beschluss wird die konsequente Rückführung von abgelehnten Asylsuchenden gefordert – insbesondere für Personen, die schwere Straftaten oder Gewaltverbrechen verübt haben. Die Bundesregierung hat am 25. Oktober einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Ziel ist auch, Schleuser und andere Personen aus der organisierten Kriminalität auszuweisen. Deshalb wird der Ausreisegewahrsam von bisher 10 auf künftig 28 Tage verlängert.

Zum Beschluss der MPK gehört auch die Einführung einer Bezahlkarte als weitgehenden Ersatz für Bargeldleistungen. Mit der Systemumstellung bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten zahlt der Bund ab 2024 für jeden Asylerstantragssteller eine jährliche Pauschale von 7.500 Euro statt einer jährlichen festen Gesamtsumme. Darüber hinaus sollen Veränderungen bei den Leistungen zu Entlastungen in Höhe von etwa einer Milliarde Euro führen. Künftig sollen Asylbewerber erst nach 36 Monaten Leistungen entsprechend der Sozialhilfe/Bürgergeld erhalten. Bisher war das bereits nach 18 Monaten möglich. Durch den späteren Wechsel kommt es auch bei den Gesundheitsleistungen zu Einsparungen. Dies wird Länder und Kommunen entlasten. Asylverfahren sollen deutlich beschleunigt werden.

Woidke: „Die gestrigen Beschlüsse sind ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Entscheidend ist, dass die MPK-Beschlüsse jetzt schnell umgesetzt werden, damit sie sich in den Kommunen auswirken. Die heutige Landrätekonferenz hat gezeigt, dass Land und Kommunen weiter zusammenstehen. Im Dialog mit den Landkreisen und kreisfreien Städten suchen wir nach Lösungen, die die gegenwärtigen Belastungen mildern und Verbesserungen erwirken. Mein herzlicher Dank allen Beteiligten. Sie zeigen seit langem großes Engagement bei der Aufnahme und Versorgung von zu uns geflüchteten Menschen. Sie setzen damit wichtige Zeichen der Solidarität und Menschlichkeit. Aber die Menschen dürfen nicht überfordert werden. Die Sorgen und Ängste müssen ernst genommen werden und dafür muss der Staat Recht und Gesetz konsequent umsetzen.“

Mit ihrem Zehn-Punkte-Plan vom Juni hat die Landesregierung eine Vielzahl von Forderungen der kommunalen Spitzenverbände aufgegriffen. Die im Juni ins Leben gerufene Koordinierungsgruppe „Migration“ tagt in regelmäßigen Abständen.

Woidke weiter: „Wir nehmen die kommunalen Sorgen sehr ernst und handeln. Wir arbeiten an weiteren Entlastungen und Verbesserungen, denn trotz aller Maßnahmen zur Verringerung der Migration werden weiterhin Geflüchtete zu uns kommen. Brandenburg wird deshalb auch künftig Menschen aufnehmen, die ein individuelles Asylrecht haben. Dazu sind wir verpflichtet. Wer zu uns kommt, soll möglichst schnell in Arbeit kommen. Das ist der beste Weg der Integration und schafft Akzeptanz. Viele, die jetzt bei uns leben, sind längst fester Teil in unseren Betrieben. Wir brauchen sie, ob nun in Handel, Gastronomie oder Wirtschaft. Sie sollen sich anerkannt und angenommen fühlen. Brandenburg braucht eine Willkommenskultur, in der Extremismus, Hass und Hetze nichts verloren haben.“

Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat 2022 eine Flüchtlingswelle ausgelöst, die die Situation 2015/2016 deutlich übertroffen hat. Knapp 39.000 Geflüchtete wurden 2022 in Brandenburg aufgenommen. Die meisten aus der Ukraine. Für dieses Jahr liegt das Aufnahmesoll bei ca.  19.000 Personen.

Der stellvertretende Ministerpräsident, Innenminister Michael Stübgen, betonte: „Der Gipfel zwischen Bund und Ländern war ein zähes Ringen, das im Ergebnis einige Verbesserungen gebracht hat. Mehr Geld für die Kommunen, schnellere Bearbeitung von Asylanträgen und weniger finanzielle Anreize für Personen ohne Bleibeperspektive können für Entlastung sorgen. Die Migrationskrise wird damit aber nicht plötzlich vorbei sein, den ersten Schritten müssen weitere folgen. Die Kommunen sind am Limit und brauchen eine anhaltende Reduzierung des Zustroms. Europäische Maßnahmen müssen jetzt zügig greifen, bis dahin muss die Kontrolle an nationalen Grenzen aufrechterhalten werden.

Integrationswilligen müssen wir eine faire Chance geben, dazu gehört für mich eine umgehende Arbeitserlaubnis. Sechs Monate Wartezeit, wie vom Bund geplant, sind sechs verlorene Integrationsmonate. Personen ohne Bleibeperspektive und Integrationsinteresse müssen konsequent zur Ausreise gebracht werden. Ein Ausreisezentrum nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins scheint dafür ein hilfreiches Instrument zu sein.“

Im Juni hat sich die Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden darauf verständigt, Asylbewerber ohne Bleibeperspektive nicht mehr kurzfristig auf die Kommunen zu verteilen, sondern bis maximal 18 Monate in den Erstaufnahmen zu belassen. Deshalb liegt die Auslastung der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) in Eisenhüttenstadt gegenwärtig bei knapp 88 Prozent. Sie hat sich innerhalb von vier Monaten verdoppelt. Zur Erweiterung der Kapazitäten der Erstaufnahme werden an den Standorten Eisenhüttenstadt und Wünsdorf bis Anfang 2024 jeweils 500 zusätzliche Plätze in Containern zur Verfügung stehen. Weitere 500 Plätze werden in Frankfurt (Oder) vorbereitet.

Insgesamt lebten Ende September 20.478 Personen in Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung in den kommunalen Gebietskörperschaften. Bis Ende Oktober (31.10.) wurden 9.946 Geflüchtete auf die Brandenburger Kommunen verteilt. 2022 waren es zu diesem Zeitpunkt bereits 36.506.

Um die Kommunen möglichst stark zu entlasten, muss dafür Sorge getragen werden, dass die Geflüchteten so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen und von Ihrer eigenen Arbeit leben können. Um Integration gelingen zu lassen, unterstützt das Land die Kommunen tatkräftig. Insgesamt sind 2023 bereits 132 kommunale Integrationsprojekte mit über vier Millionen Euro aus dem Integrationsbudget unterstützt worden. Im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) fließen ebenfalls Mittel in Höhe von ca. 21 Millionen Euro im Zeitraum 2022 bis 2025 in Integrationsprojekte im Land.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin, Integrationsministerin Ursula Nonnemacher, sagte: „Die Unterbringung von Geflüchteten bleibt angesichts mehrerer aktueller Krisen und Kriege eine große Herausforderung für Land, Landkreise und Kommunen. Die kommunale Familie leistet dabei hervorragende Arbeit, die wir als Landesregierung umfassend unterstützen. Um die Situation vor Ort zu entspannen, müssen Menschen möglichst schnell für sich und Ihre Familien selber sorgen können. Arbeit und Spracherwerb sind die Schlüssel zur Integration. Geflüchtete müssen in Deutschland schneller und unbürokratischer in Arbeit gebracht werden.

Die im Bundeskabinett am 1. November verabschiedete Verkürzung des Arbeitsverbots für Geflüchtete mit Bleibeperspektive von neun auf sechs Monate trägt einen wichtigen Teil zur schnelleren Integration bei und ist eine Chance, dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Die vereinfachte Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für Geduldete, deren Ausreisepflicht vorübergehend ausgesetzt ist, schafft Perspektiven auch für diese Menschen. Sie ermöglicht den Spurwechsel, für den Brandenburg weiterhin eintritt.“

Das Land wird die kommunalen Jugendämter entlasten: Vorgesehen sind Lockerungen bei den Unterbringungsmöglichkeiten vor Ort für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Sie dürfen von den Kommunen in zentralen Gemeinschaftsunterkünften und in anderen Einrichtungen unterbracht werden, wenn kein dauerhafter Unterbringungsplatz in einer Jugendhilfeeinrichtung zur Verfügung steht. Das Jugendministerium (MBJS) bietet in diesen Fällen Beratung zur Wahrung des Kindeswohls an. Weiterhin werden geltende Regelungen für das Personal bis Ende 2025 fortgeschrieben, sodass längerfristige Verträge und Ausbildungen möglich werden.

Für die zukünftige weitere Entlastung der Kommunen und dort insbesondere der Jugendämter ist neben einem zentralen Register auch eine zentrale Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Geflüchtete über ein Netzwerk Clearing im Aufbau. Für den Betrieb, der vom MBJS beauftragt wird, gibt es inzwischen interessierte Träger. Jugendliche sollen dort für bis zu fünf Tage vorläufig in Obhut genommen werden können, um einen Teil des Clearings (Abklärung) vorzunehmen, darunter Alter, Herkunftsland, Gesundheitszustand, Angehörige in Deutschland.

Siegurd Heinze, Landrat des Landkreises Oberspreewald-Lausitz und Vorsitzender des Landkreistages, betonte: „Der Landkreistag Brandenburg begrüßt die in der Nacht getroffene Einigung zwischen dem Bund und den Bundesländern zur Finanzierung des Aufenthalts von Asylbewerbern, der Verkürzung von Asylverfahren, der Beschleunigung von Gerichtsverfahren und der Einführung der so genannten Bezahlkarte. Die Entscheidungen, die noch administriert und umgesetzt werden müssen bevor sie Wirkung erzeugen, waren lange überfällig. Weitere Schritte zur Regulierung der Asylverfahren, insbesondere zur spürbaren Absenkung der irregulären Migration müssen zeitnah folgen. Darauf hatte der Landkreistag bereits im September 2022 deutlich hingewiesen und Veränderungen eingefordert. Ungeachtet der jetzt erzielten Ergebnisse strapaziert der anhaltende Zustrom von geflüchteten Menschen unsere Ressourcen weiterhin und bringt uns nicht nur finanziell an unsere Grenzen. Deswegen haben wir heute auch ganz klar eine Begrenzung der zunehmenden Belastung für die Bereiche der Unterbringung und der Kitas und Schulen gefordert und deutlich gemacht, dass diese Bereiche bereits zum jetzigen Zeitpunkt einer dringenden infrastrukturellen Stärkung bedürfen.

Mit Mitteln aus dem so genannten Brandenburg-Paket unterstützt das Land die Landkreise bereits mit finanziellen Mitteln, schafft zusätzliche Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen und stimmt sich mit den kommunalen Spitzenverbänden kontinuierlich ab, wie ein Ausgleich der Belastungen zwischen Land und Landkreisen bestmöglich organisiert werden kann. Den Zustrom von Schutzsuchenden zu minimieren und die Voraussetzungen für Rückführungen bzw. Abschiebungen besser zu ermöglichen ist und bleibt der Bund verantwortlich, der ungeachtet der herbeigeführten Einigung, unverzüglich zu einem weiteren Handeln zur Entlastung der Landkreise und Kommunen vor Ort aufgefordert wird. Insgesamt sind die beschlossenen Maßnahmen keine kurzfristige Lösung, und es wird noch Monate dauern, bis wir tatsächliche Effekte sehen.“

Oliver Hermann, Bürgermeister der Stadt Wittenberge und Präsident des Städte- und Gemeindebundes, erklärte: „Es ist gut, dass der Ministerpräsident unmittelbar nach der Konferenz mit dem Bundeskanzler das Gespräch mit den Oberbürgermeistern, Landräten und kommunalen Spitzenverbände weiterführt. Es geht darum, wie die Beschlüsse von gestern Abend möglichst zeitnah umgesetzt werden und bis in die Städte und Gemeinden hinein Wirkung entfalten. Für die Städte und Gemeinden besonders wichtig bleiben die Fragen der eine Unterbringung flankierenden sozialen Infrastrukturen wie Schule und Kita. Hier geht es insbesondere um die Finanzierung.“