Zudem hat Deutschland gegen seine Verpflichtung verstoßen, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung in den 26 betroffenen Gebieten so kurz wie möglich zu halten Mit seinem heutigen Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass Deutschland dadurch gegen die Richtlinie über Luftqualität1 verstoßen hat, dass der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) in 26 der 89 beurteilten Gebiete und Ballungsräume vom 1. Januar 2010 bis einschließlich 20162 systematisch und anhaltend überschritten wurde3 .

Es handelt sich um den Ballungsraum Berlin, den Ballungsraum und den Regierungsbezirk Stuttgart, den Regierungsbezirk Tübingen, den Ballungsraum Freiburg, den Regierungsbezirk Karlsruhe (ohne Ballungsräume), den Ballungsraum Mannheim/Heidelberg, den Ballungsraum München, den Ballungsraum Nürnberg/Fürth/Erlangen, das Gebiet III Mittel- und Nordhessen, den Ballungsraum I Rhein-Main, den Ballungsraum II Kassel, den Ballungsraum Hamburg, Grevenbroich (Rheinisches Braunkohlerevier), Köln, Düsseldorf, Essen, Duisburg/Oberhausen/Mülheim, Hagen, Dortmund, Wuppertal, Aachen, die urbanen Bereiche und den ländlichen Raum im Land Nordrhein-Westfalen, Mainz, Worms/Frankenthal/Ludwigshafen und Koblenz/Neuwied. Zudem hat Deutschland dadurch gegen die Richtlinie verstoßen, dass der Stundengrenzwert für NO2 in zwei Gebieten, und zwar im Ballungsraum Stuttgart und im Ballungsraum I Rhein-Main, systematisch und anhaltend überschritten wurde4 .

Überdies hat Deutschland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie und insbesondere gegen die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen vorsehen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird, verstoßen, dass keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden, um ab dem 11. Juni 2010 in allen Gebieten die Einhaltung der Grenzwerte für NO2 zu gewährleisten. Daher hat der Gerichtshof der Klage der Europäischen Kommission für die genannten Zeiträume in vollem Umfang stattgegeben. 1 Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1). Diese Richtlinie sieht für Stickstoffdioxid (NO2) ab dem 1. Januar 2010 Grenzwerte von 40 µg/m³ im Jahresmittel und von 200 μg/m3 im Stundenmittel vor. Der letztgenannte Wert darf nicht öfter als 18-mal im Kalenderjahr überschritten werden.

2 Die vorliegende Klage betrifft nicht die Folgejahre (2017 und 2018), in Bezug auf die Deutschland geltend gemacht hat, dass die fraglichen Grenzwerte eingehalten worden seien. 3 Die von Deutschland für das Jahr 2016 gemeldeten Werte lagen in allen 26 Gebieten zwischen 2,5 % und 105 % über dem Jahresgrenzwert von 40 µg/m³. In 16 Gebieten lagen die NO2-Konzentrationen in der Luft um 25 % oder mehr darüber, in sieben Gebieten sogar um 50 % oder mehr. In manchen Jahren wurde der Grenzwert in einer Reihe dieser Gebiete (so im Ballungsraum Stuttgart in den Jahren 2010 und 2011 und im Ballungsraum München im Jahr 2010) um etwa 150 % überschritten. 4 Im Ballungsraum Stuttgart und im Ballungsraum I Rhein-Main wurde bei dem Stundengrenzwert von 200 μg/m3 die zulässige Zahl von 18 Tagen pro Kalenderjahr von 2010 bis einschließlich 2016 in jedem Jahr um mindestens 50 % überschritten, denn die Zahl der Überschreitungen dieses Werts lag zwischen 28 und 183 Tagen pro Jahr, wenn auch mit einer gewissen rückläufigen Tendenz während dieses Zeitraums.

Der Gerichtshof weist insbesondere das Vorbringen Deutschlands zurück, dass die Überschreitungen der Grenzwerte für NO2 maßgeblich auf eigene Versäumnisse der Kommission zurückzuführen seien, da sie sich hinsichtlich eines Vorschlags für wirksame Rechtsvorschriften zur Begrenzung der Emissionen dieses Schadstoffs durch Dieselfahrzeuge nachlässig gezeigt habe. Deutschland hat hinzugefügt, als besonders problematisch im Hinblick auf die Einhaltung der in der Richtlinie über Luftqualität festgelegten Grenzwerte für NO2 hätten sich Dieselfahrzeuge der Norm „Euro 5“ erwiesen.

Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass – abgesehen davon, dass Kraftfahrzeuge, die den auf Unionsebene aufgestellten Vorschriften unterliegen, nicht die alleinige und einzige Ursache von NO2-Emissionen sind – die für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen geltende Unionsregelung die Mitgliedstaaten nicht von ihrer Verpflichtung zur Einhaltung der in der Richtlinie festgelegten Grenzwerte befreien kann. Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat die in der Richtlinie festgelegten Grenzwerte für NO2 überschreitet, ist allerdings für sich allein nicht ausreichend, um festzustellen, dass dieser Mitgliedstaat auch gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, dafür zu sorgen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der für den betreffenden Schadstoff festgelegten Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird. Wie sich aus einer detaillierten Prüfung der Akte ergibt, hat Deutschland jedoch offenkundig nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen getroffen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für NO2 in den 26 in Rede stehenden Gebieten so kurz wie möglich gehalten wird.

HINWEIS: Eine Vertragsverletzungsklage, die sich gegen einen Mitgliedstaat richtet, der gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat, kann von der Kommission oder einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden. Stellt der Gerichtshof die Vertragsverletzung fest, hat der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil unverzüglich nachzukommen. Ist die Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachgekommen ist, kann sie erneut klagen und finanzielle Sanktionen beantragen. Hat ein Mitgliedstaat der Kommission die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie nicht mitgeteilt, kann der Gerichtshof auf Vorschlag der Kommission jedoch bereits mit dem ersten Urteil Sanktionen verhängen.

Urteil in der Rechtssache C-635/18