Das Bundeskartellamt hat heute den Erwerb von bis zu 92 Real-Standorten durch die zur Schwarz-Gruppe gehörende Kaufland von der SCP Retail S.àr.l. unter Bedingungen freigegeben. Gleichzeitig hat das Amt die Übernahme von bis zu 24 Real-Standorten von SCP durch die Globus Gruppe freigegeben. Kaufland ist Teil der Schwarz-Gruppe, zu der auch die Lebensmitteleinzelhandelskette Lidl gehört.

Die Schwarz-Gruppe ist mit einem Umsatz von rund 113 Mrd. Euro europaweit der mit Abstand größte Lebensmitteleinzelhändler (LEH) in Europa. In Deutschland beträgt der Umsatz ca. 39 Mrd. Euro. Kaufland betreibt rund 670 SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte. Lidl betreibt mit 39 Regionalgesellschaften ein Vertriebsnetz mit ca. 3.200 Standorten, und ist der größte Discounter-Konzern der Welt mit insgesamt 10.800 Filialen in 32 Ländern.

SCP, die von dem russischen Investmentunternehmen Sistema kontrolliert wird, hat die gesamten ehemals 276 Real-Standorte von der Metro erworben. Die Real-Standorte erzielten 2018/2019 einen Umsatz von ca. sieben Mrd. Euro. Globus betreibt in Deutschland 47 SB-Warenhäuser und erzielt einen Umsatz von 4,5 Mrd. Euro in Deutschland (insgesamt 6,8 Mrd. Euro). Bei der Übernahme von Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften geht es stets um zwei unterschiedliche Marktseiten. Die eine ist die Absatzseite, auf der Verbraucherinnen und Verbraucher dem LEH gegenüberstehen. Die andere Seite ist die Beschaffungsseite, auf der sich Lieferanten und LEH gegenüberstehen.

Zur Absatzseite:

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Wir wollen für die Verbraucherinnen und Verbraucher dort, wo sie einkaufen, genügend Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Lebensmittelhändlern erhalten. Deswegen erlauben wir Kaufland anstatt der 101 angemeldeten nur die Übernahme von bis zu 92 Real-Standorten. In den betroffenen regionalen Märkten wären sonst die Ausweichmöglichkeiten und der Wettbewerb zu stark beeinträchtigt worden. Die Übernahme von Real-Standorten durch Globus ist aus Verbraucher-Sicht in allen betroffenen Regionen unproblematisch.“ Wie viele der nun kartellrechtlich genehmigten bis zu 92 Real-Standorte Kaufland letzten Endes tatsächlich übernehmen kann, ist noch von verschiedenen Faktoren abhängig.

Einige dieser Standorte könnten auch von mittelständischen LEHs wie Globus im Rahmen der weiteren Zusagen auf der Beschaffungsseite übernommen werden, in anderen Fällen steht noch die Einigung von Kaufland mit den bisherigen Vermietern aus. Ob Globus alle bis zu 24 genehmigten Standorte wird erwerben können, ist ebenfalls offen. Gemessen an den bisherigen 47 SB-Warenhäusern von Globus ermöglicht die genehmigte Übernahme aber jedenfalls nennenswerte Expansionsmöglichkeiten für das Unternehmen. Das Amt hat anhand von Payback-Daten ermittelt, aus welchem Gebiet 90 Prozent aller Kunden des jeweiligen Real-Standortes kommen. Dieses Gebiet bildet den räumlich relevanten Markt des betroffenen Real-Standorts ab. Besonders vertiefte Analysen wurden für das sogenannte Kerngebiet angestellt, aus welchem zwei Drittel aller Kunden stammen. Neben SB-Warenhäusern, Verbrauchermärkten und Supermärkten werden auch Bio-Supermärkte in den Markt einbezogen, nicht aber Fachgeschäfte wie Bäckereien oder Drogerien.

Das Verbraucherverhalten wurde u.a. auch im Rahmen einer Verbraucherbefragung untersucht. Beträgt der gemeinsame Marktanteil der Schwarz-Gruppe inklusive der Real-Standorte in einem regionalen Absatzmarkt 35-40 Prozent oder mehr wurde eine noch genauere Prüfung der Wettbewerbsverhältnisse vor Ort vorgenommen. Im Ergebnis verzichtet Kaufland wegen der wettbewerblichen Bedenken des Bundeskartellamtes im Wege einer Zusage auf den geplanten Erwerb der neun Real-Standorte in Bedburg, Heidenau, Hemer, Heidenheim, Brandenburg, Neubrandenburg, Horb, Dülmen und Falkensee.

Zur Beschaffungsseite:

Für die Hersteller von Lebensmitteln ist der LEH mit über 75 Prozent des Gesamtabsatzes der mit großem Abstand wichtigste Absatzkanal. Mehr als 85 Prozent dieses Anteiles entfallen wiederum auf die führenden vier Handelsketten (Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland und Aldi). Der gesamte Beschaffungsanteil von Real lag insgesamt bei unter 5 Prozent. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Schwarz-Gruppe baut durch die Übernahme ihre starke Marktposition beim Einkauf von Lebensmitteln weiter aus.

Die bedingte Freigabe des Vorhabens war möglich, weil sich SCP im Gegenzug dazu verpflichtet hat, Real-Standorte mit einem Beschaffungsvolumen von insgesamt mindestens 200 Mio. Euro an mittelständische LEH-Unternehmen zu veräußern. Wir sorgen damit für eine Stärkung des Mittelstandes als wichtige Absatzalternative für die Hersteller und Lieferanten von Lebensmitteln in Deutschland. Nach dem Verlauf des Veräußerungsprozesses war nicht davon auszugehen, dass mittelständische Händler ohne die Einflussnahme des Bundeskartellamtes überhaupt Standorte hätten erwerben können.“ Real war bislang Teil der mittelständischen Einkaufskooperation RTG, die durch das Ausscheiden von Real aus dem Markt geschwächt wurde.

Globus ist zum 1. August 2020 Mitglied der RTG geworden und bringt so sein Beschaffungsvolumen auch in die Einkaufskooperation ein. Trotz der hohen Konzentration des Beschaffungsmarktes muss bei der kartellrechtlichen Einordnung auch berücksichtigt werden, dass zwischen den vier führenden Handelsketten im Einkauf ein gewisser Wettbewerb besteht. Die Abgabeverpflichtung auf der Beschaffungsseite und die Zusage, neun Standorte nicht zu übernehmen, sorgen dafür, dass der Zuwachs des Beschaffungsvolumens verringert wird. Bei der Bewertung spielte auch eine Rolle, dass die Beschaffungsmärkte zwar immer noch stark national geprägt sind, die Ermittlungen aber auch Anhaltspunkte für eine Entwicklung hin zu grenzüberschreitenden Märkten, deutlich sichtbar bei Obst und Gemüse, gezeigt haben.

Neben den Übernahmeplänen von Kaufland und Globus ist beim Bundeskartellamt auch das Vorhaben der Edeka, bis zu 72 Real-Standorte zu erwerben, zur Prüfung angemeldet. Das Verfahren läuft derzeit noch. Edeka und SCP haben Mitte Dezember erste Angebote für Zusagen vorgelegt, so dass sich die Frist zur Entscheidung bis zum 22. Februar 2021 verlängert hat.