Der Brexit ist beschlossen, aber vieles ist noch ungeklärt – deutsche Unternehmen sollten sich daher vorsichtshalber auf negative Auswirkungen einstellen.

Der Brexit – und die Folgen für die deutsche Wirtschaft

Der Brexit, also der Austritt Großbritanniens aus der Europäisch Union, wurde mit dem Ergebnis des Referendums vom 23. Juni 2016 besiegelt, ein knappes Dreivierteljahr später, am 29. März 2017, leitete das Vereinigte Königreich offiziell den Austrittsprozess ein. In dieser Zeit stürzten sich die Medien geradezu auf dieses Thema und kaum ein Tag verging ohne Meldungen oder Voraussagen, die die Zukunft Großbritanniens entweder in den rosigsten Farben oder in tiefstem Schwarz zeichneten.

 

Mittlerweile ist das mediale und öffentliche Interesse am Brexit aber weitgehend abgeebbt. Natürlich gibt es zwar auch weiterhin Meldungen, wenn sich die Unterhändler der EU und des Vereinigten Königreichs mal wieder nicht einigen können oder viele Stunden über einen kleinen Punkt des Gesamtpakets diskutieren. Aber der Brexit wurde weitgehend von anderen Ereignissen des politischen Weltgeschehens verdrängt.

Insbesondere für deutsche Unternehmen ist der Brexit allerdings alles andere als unwichtig, und es wäre ausgesprochen gefährlich, wenn sie dem Beispiel der Medien und der Öffentlichkeit folgen würden.

Das Ende des Exports?

Deutschland ist vom Außenhandel abhängig, und das schon seit vielen Jahrzehnten. Nicht umsonst gilt Deutschland schon lange als „Exportweltmeister“ – ein Titel, den viele deutsche Unternehmen als Zeichen ihres Erfolgs sahen. Nun könnte diese Abhängigkeit jedoch zu einem Problem werden, denn Großbritannien ist einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, und mit dem Brexit steht noch in den Sterne, wie der Handel zwischen den beiden Ländern zukünftig geregelt sein wird.

Obwohl im Moment noch keinerlei Änderungen in Kraft getreten sind – Großbritannien wird ja bis zum März 2019 Mitglied der EU bleiben – haben allein die schleppenden Verhandlungen zu Verunsicherung bei deutschen Firmen geführt. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland nach dem Beschluss des Brexits mindestens zwei Jahre niedriger ausfallen als vorausgesagt – und das allein aufgrund der Verunsicherung, die durch die schwierigen Verhandlungen und die teils sehr unterschiedlichen Ansichten der Verhandlungspartner entstanden ist.

Diese Auswirkungen könnten allerdings nur ein kleiner Vorgeschmack auf das sein, was noch kommen wird, wenn der Brexit Realität ist. Derzeit profitiert die deutsche Industrie nämlich noch von einem weitgehend ungestörten Warenverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland. Kommt es aber zu einem „harten Brexit“ oder gar zu einem ungeregelten Austritt, wäre dieser freie Austausch Geschichte – und die exportorientierte deutsche Wirtschaft hätte ein Problem.

Harter oder weicher Brexit?

Zwar ist das mediale Interesse am Brexit deutlich zurückgegangen, aber selbst als Bürger mit nur mäßigem Interesse an Europapolitik ist es kaum zu übersehen, dass die britische Regierung und die Führung der EU sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Ausgestaltung des Brexits haben. So versprach zum Beispiel die britische Premierministerin Theresa May ein Ende der Personenfreizügigkeit, die es EU-Bürgern gestattet, ohne große Formalitäten ihren Wohnsitz in das Vereinigte Königreich zu verlegen. Die EU – allen voran Bundeskanzlerin Merkel – knüpfte den freien Zugang zum Binnenmarkt der EU aber fest an die Personenfreizügigkeit, sodass gerade im wirtschaftlichen Bereich zwei praktisch unvereinbare Positionen aufeinanderprallen.

Die Premierministerin hatte im November 2016 zwar versucht, mit einem garantierten Bleiberecht für EU-Bürger im Vereinigten Königreich und für Briten in der EU die Verhandlung in Richtung eines „weichen Brexits“ zu lenken, der Vorschlag wurde aber vor allem von EU-Ratspräsidenten Tusk und Bundeskanzlerin Merkel abgetan. In der Folge kündigte May einen „harten Brexit“ an, bei dem Großbritannien aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion der EU ausscheiden soll.

Diese Entscheidung ist zwar noch nicht endgültig, schließlich stehen noch Monate der Verhandlungen an, in denen sich die Positionen durchaus noch verändern können. Die deutschen Unternehmen sollten sich aber vorsichtshalber schon einmal auf einen harten Brexit und dessen Auswirkungen einstellen.

Welche Auswirkungen hätte ein harter Brexit?

Wie eingangs erwähnt, ist Großbritannien ein wichtiger Handelspartner für Deutschland – insbesondere für die starke deutsche Automobilindustrie, die bei den zehn wichtigsten Exportgütern rund ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmacht. Die deutschen Autobauer exportieren aber nicht nur kräftig ins Vereinigte Königreich, sie produzieren dort auch und liefern Bauteile verschiedenster Art.

Angesichts der exakt durchgetakteten Produktion wären Grenzkontrollen und die damit verbundenen Verzögerungen eine Katastrophe, die beträchtliche Kosten mit sich bringen würde. Aufgrund der vernetzten Produktion in Deutschland und Großbritannien würden bei einem harten Brexit zudem mehrfach Zölle anfallen: Einmal, wenn Bauteile nach Großbritannien geliefert werden, und erneut, wenn die fertigen Fahrzeuge in die EU (oder auch in andere Länder) exportiert werden.

Andere Branchen sind zwar nicht ganz so stark an das Vereinigte Königreich gebunden, aber wichtige Exportbereiche wie der Maschinenbau und die chemische Industrie hätten ebenfalls durch die Folgen eines harten Brexits – Zölle, Verzögerungen bei der Einfuhr, mehr bürokratischer Aufwand und dadurch höhere Kosten – zu leiden.

Wie wird der Brexit ablaufen?

Eine exakte Antwort auf diese Frage gibt es natürlich nicht, denn noch sind die Verhandlungen längst nicht abgeschlossen. Gerade bei der Personenfreizügigkeit und dem damit verbundenen Zugang zum europäischen Binnenmarkt stehen sich die EU und Großbritannien derzeit aber noch unversöhnlich gegenüber, sodass ein harter Brexit durchaus ein realistisches Szenario ist. Immerhin scheint ein ungeregelter Austritt abgewendet, falls sich die beiden Parteien nicht bis zum März 2019 auf eine vertragliche Neuregelung einigen können. Im März 2018 vereinbarten die EU und Großbritannien nämlich eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2020, falls bis zum Austritt noch Punkte offen sein sollten.