Die Sperrung der Friedrichstraße in Berlin-Mitte für Kraftfahrzeuge ist nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin rechtswidrig.
Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Senatsverwaltung) ordnete Mitte 2020 einen Verkehrsversuch zur Verkehrsberuhigung der Friedrichstraße an. Zu diesem Zweck wurde die Friedrichstraße zwischen der Französischen Straße und der Leipziger Straße für den Kraftfahrzeugverkehr temporär voll gesperrt. Der Verkehrsversuch dauerte bis zum 31. Oktober 2021 an.
Zur Begründung führte die Senatsverwaltung an, „entsprechend ihrer Lage, der vorwiegend touristischen Nutzung als Flaniermeile und ihres historischen Kontextes“ solle „die Friedrichstraße dauerhaft vom motorisierten Verkehr freigehalten und folglich verkehrsberuhigt und somit attraktiv für den Fuß- und Radverkehr gestaltet werden“.
Nach Ende des Verkehrsversuchs beantragte die Senatsverwaltung beim Bezirksamt Mitte die straßenrechtliche Teileinziehung des aktuell gesperrten Abschnitts, also die Änderung der Widmung als öffentliche Straße, die auch dem motorisierten Verkehr offensteht. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Zur Überbrückung des Zeitraums bis zum Abschluss des Teileinziehungsverfahrens erließ die Senatsverwaltung eine verkehrsrechtliche Anordnung, mit der die Aufrechterhaltung der Sperrung der Friedrichstraße für den motorisierten Verkehr verfügt wurde. Zur Begründung führte sie an, die Anordnung sei „im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung“ nötig, um „die positiven Aspekte des Verkehrsversuchs bis zur Teileinziehung zu erhalten“. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin, die Inhaberin eines Geschäfts in der Nähe der Friedrichstraße ist.
Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts gab dem Eilantrag der Antragstellerin statt. Die Voraussetzungen für die Straßensperrung lägen nicht vor. Die Straßenverkehrsbehörden könnten die Benutzung bestimmter Straßenstrecken nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Der Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung setze damit eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs voraus. Gefordert werde eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit, d.h. eine konkrete Gefahr aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse. Daran fehle es hier. Die Behörde selbst habe ihre Entscheidung nur darauf gestützt, dass die Aufenthaltsqualität in der Friedrichstraße als Geschäftsstraße verbessert werden solle. Die Straßenverkehrsordnung enthalte aber keine Rechtsgrundlage, um den Fahrzeugverkehr allein wegen verkehrsordnungspolitischer Konzeptionen zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Anwohner- und Wirtschaftsverkehrs zu verdrängen. Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen könnten zwar bei Vorliegen einer Gefahrenlage auch zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung ergehen. Hierfür bedürfe es aber zusätzlich eines städtebaulichen Verkehrskonzepts, das hinreichend konkret die verkehrsmäßigen Planungen in einem bestimmten räumlichen Bereich darstellen müsse. Ob ein solches Konzept vorliege, sei zweifelhaft. Allein die Planungen zur „Flaniermeile Friedrichstraße“ dürften diesen Anforderungen nicht genügen, weil sie primär die Erhöhung der Attraktivität der Friedrichstraße als Flaniermeile, nicht jedoch ein auf städtebaulichen Gesichtspunkten basierendes Verkehrskonzept zum Gegenstand hätten.
Schließlich stehe der Sperrung die weiter bestehende straßenrechtliche Widmung der Friedrichstraße entgegen, die auch den Kraftfahrzeugverkehr umfasse. Die Anordnung einer Verkehrsbeschränkung auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts dürfe nicht faktisch zu einem Zustand führen, der im Ergebnis auf eine dauerhafte Endwidmung oder Teileinziehung hinauslaufe. weil nach der Widmung zulässige Nutzungsarten dauerhaft ausgeschlossen würden. Vor Abschluss des vom Bezirksamt Mitte durchzuführenden Teileinziehungsverfahrens scheide eine weitere Sperrung daher aus. Das Gericht hat das Land Berlin in Folge der Entscheidung verpflichtet, die die Anordnung betreffenden Verkehrszeichen binnen zweier Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung zu entfernen.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Beschluss der 11. Kammer vom 24. Oktober 2022 (VG 11 L 398/22)