Die Betriebsschließungen in der ersten Coronawelle im Frühjahr 2020 durch die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2020 waren rechtmäßig. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute nach mündlicher Verhandlung entschieden und die Normenkontrollanträge von vier Unternehmen abgelehnt. Dabei handelt es sich um die ersten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts in Corona-Hauptsacheverfahren; weitere Verhandlungen in Hauptsacheverfahren sind terminiert.
Die bis zum 10. Mai 2020 geltende Coronaschutzverordnung sah unter anderem vor, dass der Betrieb von Fitnessstudios, von Tanzschulen sowie von gastronomischen Einrichtungen (mit Ausnahme eines Außer-Haus-Verkaufs) untersagt war. Hiergegen wandten sich im Wege der Normenkontrolle ein Inhaber eines Fitnessstudios in Bielefeld (13 D 29/20.NE), ein Betreiber von EMS-Fitnessstudios u. a. in Gelsenkirchen (13 D 49/20.NE), eine Tanzschule aus Bonn (13 D 33/20.NE) und ein Gastronomiebetrieb aus Essen (13 D 74/20.NE). Die Antragsteller machten im Wesentlichen geltend, dass die Coronaschutzverordnung nicht auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhte und die Regelungen sie in ihren Grundrechten, insbesondere ihrer Berufsfreiheit, verletzten.
Dieser Einschätzung ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Bei der Urteilsverkündung hat der Vorsitzende des 13. Senats ausgeführt:
Die angegriffenen Betriebsuntersagungen sind rechtmäßig. Mit der Generalklausel im Infektionsschutzgesetz des Bundes bestand im Frühjahr 2020 eine hinreichende gesetzliche Grundlage, die auch zu flächendeckenden Betriebsschließungen durch Verordnungen der Länder ermächtigte. Der Gesetzgeber war angesichts des in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellosen Ausbruchs der Pandemie nicht verpflichtet, dem Verordnungsgeber bereits zu diesem Zeitpunkt präzisere Vorgaben für das Ergreifen von Infektionsschutzmaßnahmen zu machen. Vielmehr konnte er jedenfalls zunächst die Entwicklung des Infektionsgeschehens unter Geltung der anfangs ergriffenen Maßnahmen abwarten.
Die Betriebsuntersagungen verletzten die Antragsteller nicht in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Sie waren insbesondere verhältnismäßig. Bei der Beurteilung, ob die Maßnahmen einen legitimen Zweck verfolgten und hierzu geeignet und erforderlich sowie angemessen gewesen sind, stand dem Verordnungsgeber ein Einschätzungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle ist insoweit darauf beschränkt, ob die vom Verordnungsgeber getroffenen Einschätzungen vertretbar waren. Davon ausgehend hat der Verordnungsgeber seinen Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Er durfte anhand der Erkenntnislage im Frühjahr 2020 davon ausgehen, dass durch die zunehmende Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus Leben und Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere von Angehörigen vulnerabler Personengruppen, bedroht gewesen sind und bei ungehindertem exponentiellen Wachstum der Infiziertenzahlen eine Überlastung der Intensivkapazitäten zu befürchten war.
Ferner konnte er annehmen, dass Kontaktbeschränkungen auch in Form von Betriebsuntersagungen ein wirkungsvolles Mittel darstellten, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Schließlich durfte er bei einer Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems Vorrang vor der Berufsfreiheit und den wirtschaftlichen Interessen der Betreiber der geschlossenen Einrichtungen geben.
Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG mit Blick auf die bereits früher erfolgte Öffnung des Einzelhandels lag nicht vor.
Das Oberverwaltungsgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Aktenzeichen: 13 D 29/20.NE, 13 D 33/20.NE, 13 D 49/20.NE, 13 D 74/20.NE