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VfGBbg 22/23 - Das Verfassungsgericht hat heute in dem Verfahren, das das sogenannte Brandenburg-Paket mit einem Umfang von zwei Milliarden Euro betrifft und zu dem am 17. Mai 2024 die mündliche Verhandlung stattgefunden hat, sein Urteil verkündet. Die Regelungen des Brandenburg-Pakets wurden für nichtig erklärt. Eine allgemeine Rückabwicklungspflicht folgt daraus aber nicht.

Art. 103 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) ordnet für den Haushalt des Landes an, dass dieser grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen ist (allgemeines Verbot der strukturellen Neuverschuldung). Davon kann gemäß Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV u.a. im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, aufgrund eines Beschlusses des Landtags abgewichen werden.

Der Landtag Brandenburg hatte am 15. Dezember 2022 einen solchen Beschluss, der das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV feststellt, gefasst. Mit den Regelungen in § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Landes Brandenburg für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 (Haushaltsgesetz 2023/2024) wurden sodann die Kreditaufnahme und Ausgaben in Höhe von zwei Milliarden Euro ermöglicht. Als Grund für die Notlage sah der Landtag die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine an.

Die 23 Abgeordneten der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg haben im Mai letzten Jahres gegen den Notlagen-Beschluss des Landtags und die genannten Regelungen des Haushaltsgesetzes das Verfahren in Form einer abstrakten Normenkontrolle eingeleitet.

Hinsichtlich der Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation hat das Verfassungsgericht den Antrag als unzulässig verworfen. Der hierzu vom Landtag gefasste Beschluss könne nicht isoliert von den Antragstellern mit der Normenkontrolle angegriffen werden. Für die eigenständige Prüfung dieses Beschlusses, der keinen Gesetzesrang habe, bestehe auch vor dem Hintergrund, dass das Bestehen der Notsituation ohnehin als Voraussetzung für die Kreditermächtigung zu prüfen sei, kein Bedürfnis.

Der Antrag hatte hingegen Erfolg, soweit er die Regelungen zur Aufnahme der Kredite und zur Einwilligung in entsprechende Mehrausgaben betraf. Das Verfassungsgericht hat § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 für nichtig erklärt. Dies betrifft die Regelungen des Haushaltsgesetzes in der Fassung vom 16. Dezember 2022. Das am 23. Februar 2024 beschlossene Nachtragshaushaltsgesetz 2024 hatten die Antragsteller nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Bei seiner Entscheidung hat sich das Verfassungsgericht weitgehend an den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. November 2023 zur Kreditermächtigung in Höhe von 60 Mrd. Euro für den Klima- und Transformationsfonds zu Art. 109 Abs. 3 Satz i. V. m. Art. 115 Abs. 2 Satz 6 Grundgesetz aufgestellt hat (2 BvF 1/22), orientiert. Mit der Regelung in Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV seien die bundesrechtlichen Regelungen zur sogenannten „Schuldenbremse“ nahezu wortgleich in die LV übernommen worden. Vor diesem Hintergrund könnten für die hier anzuwendenden landesverfassungsrechtlichen Vorschriften keine anderen bzw. allenfalls strengere Maßstäbe gelten.

Den danach an eine notlagenbedingte Kreditaufnahme zu stellenden Anforderungen genügten die angegriffenen haushaltsrechtlichen Vorschriften nicht. Zwar habe aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine tatsächlich eine außergewöhnliche Notsituation im Land Brandenburg vorgelegen und der Gesetzgeber sei auch in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass sich die Notsituation der Kontrolle des Staates entziehe und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtige.

Er habe aber den notwendigen Veranlassungszusammenhang zwischen der festgestellten außergewöhnlichen Notsituation und den geplanten Krisenbewältigungsmaßnahmen nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang dargelegt. Die Ausführungen des Haushaltsgesetzgebers zu der erforderlichen Prognose, dass und wie durch die erhöhte Kreditaufnahme die Notsituation beseitigt oder abgemildert werden soll, erlaubten dem Verfassungsgericht keine hinreichende Vertretbarkeits- bzw. Plausibilitätskontrolle.

Dies gelte nicht nur für die Frage, ob die kreditfinanzierten Maßnahmepakete geeignet seien, die Überwindung der außergewöhnlichen Notsituation zu fördern, sondern auch hinsichtlich der Höhe der Kreditermächtigungen. Für die anzustellende Geeignetheitsprognose komme es zwar nicht auf jede einzelne, sondern auf die Gesamtheit der Maßnahmen an. Um die Eignung des Gesamtpakets beurteilen zu können, müsse aus der Begründung des Landesgesetzgebers aber erkennbar werden, welche einzelnen Maßnahmen Bestandteil des Gesamtpakets sein sollen. Daran fehle es.

Die Beschreibung der einzelnen Maßnahmen erschöpfe sich zumeist in pauschal formulierten „Schlagwörtern“ und einer regelmäßig nicht abschließenden Aufzählung von Sektoren, in denen Entlastungs-, Unterstützungs- und Anpassungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Welche konkreten Umsetzungsmaßnahmen sich dahinter verbergen, werde für eine Vielzahl der Bereiche nicht deutlich.

Die Darlegungen erlaubten es zudem nicht, die als krisenbedingt angesehenen Maßnahmen von allgemeinpolitisch motivierten Maßnahmen, die nicht über notlagenbedingte Kreditermächtigungen finanziert werden dürften, abzugrenzen. Soweit der Landtag und die Landesregierung darauf abstellten, dass die Maßnahmepakete in der Folge durch das Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg konkretisiert worden seien, sei dies ohne Bedeutung, weil sich dies nicht dem Haushaltsgesetzgeber zurechnen lasse.

Aus der Nichtigkeitsfolge ergäben sich indes keine Rückabwicklungspflichten. Der allgemeine Rechtsgedanke, wonach unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen Wirkungen nicht beseitigt werden müssten, beanspruche auch für das brandenburgische Verfassungsprozessrecht Geltung.

Das Urteil ist einstimmig ergangen. Es kann im Volltext unter www.verfassungsgericht.brandenburg.de abgerufen werden.