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Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-563/22 | Zamestnik-predsedatel na Darzhavna agentsia za bezhantsite (Flüchtlingsstatus – Staatenloser palästinensischer Herkunft)

Der Schutz oder Beistand des UNRWA ist dem Antragsteller insbesondere dann als nicht länger gewährt anzusehen, wenn diese Organisation aus irgendeinem Grund keinem Staatsangehörigen palästinensischer Herkunft, der sich in dem Operationsgebiet des Einsatzgebiets dieser Organisation aufhält, in dem der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, menschenwürdige Lebensbedingungen und ein Mindestmaß an Sicherheit mehr gewährleisten kann.

Im Juli 2018 verließen eine Mutter und ihre minderjährige Tochter, beide Staatenlose palästinensischer Herkunft, Gaza-Stadt und reisten über Ägypten, die Türkei und Griechenland illegal in Bulgarien ein. Ihr erster bei den bulgarischen Behörden gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sie nicht belegt hätten, den Gazastreifen aus Angst vor Verfolgung verlassen zu haben. Sie stellten daraufhin einen zweiten Antrag (so genannter Folgeantrag) und machten dabei ihre Registrierung beim Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) geltend.

Sie beantragten die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, nachdem ihnen der Schutz des UNRWA faktisch nicht länger gewährt werde. Auch der Folgeantrag wurde zurückgewiesen, was damit begründet wurde, dass die Betroffenen auf den Beistand des UNRWA verzichtet hätten, indem sie freiwillig das Einsatzgebiet dieser Organisation verlassen hätten. Das von den Betroffenen angerufene bulgarische Gericht ersucht den Gerichtshof um Auslegung der Verfahrensrichtlinie1 in Bezug auf den Umfang der Prüfung der Begründetheit eines Folgeantrags. Darüber hinaus ersucht es den Gerichtshof um Auslegung der Qualifikationsrichtlinie2 . Danach sind Personen, die beim UNRWA registriert sind, grundsätzlich von der Anerkennung als Flüchtling in der Europäischen Union ausgeschlossen.

Wird jedoch der Schutz oder Beistand des UNRWA aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt3 , muss diesen Personen ipso facto4 der Flüchtlingsstatus zuerkannt werden. Der Gerichtshof ist aufgefordert, klarzustellen, wann der Beistand oder Schutz des UNRWA als nicht länger gewährt anzusehen ist. Der Gerichtshof antwortet zunächst, dass sich die Prüfung der Begründetheit eines Folgeantrags auf alle vorgebrachten Tatsachen erstrecken muss. Dabei müssen auch die Tatsachen berücksichtigt werden, die bereits im Rahmen des ersten Antrags gewürdigt wurden.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass, wenn das bulgarische Gericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der Schutz oder Beistand des UNRWA in diesem Operationsgebiet seines Einsatzgebiets in Anbetracht der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung im Gazastreifen herrschenden allgemeinen Lebensbedingungen als gegenüber den beiden Antragstellerinnen nicht länger gewährt anzusehen ist, diesen die Flüchtlingseigenschaft von Rechts wegen zuzuerkennen wäre. Dieser Status ist ihnen jedoch dann zu versagen, wenn sie unter einen der anderen in der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe fallen5 .

Der Schutz oder Beistand des UNRWA ist gegenüber dem Antragsteller insbesondere dann als nicht länger gewährt anzusehen, wenn diese Organisation aus irgendeinem Grund keinem Staatsangehörigen palästinensischer Herkunft, der sich in dem Operationsgebiet des Einsatzgebiets dieser Organisation aufhält, in dem der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, menschenwürdige Lebensbedingungen und ein Mindestmaß an Sicherheit mehr gewährleisten kann.

Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass sich sowohl die Lebensbedingungen im Gazastreifen als auch die Fähigkeit des UNRWA, seine Aufgabe zu erfüllen, aufgrund der Folgen der Ereignisse vom 7. Oktober 2023 in noch nie dagewesener Weise verschlechtert haben.